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Wärmebehandlung von Präzisionsbauteilen

Der Einsatz von Wärme ist in der Fertigungsindustrie unverzichtbar. Dabei handelt es sich nicht nur um Aggregatszustandsänderungen zwischen fest, flüssig und gasförmig, die durch Wärme gesteuert werden können: In der metallischen Werkstoffbearbeitung können durch den intelligenten Einsatz von Wärme und Kälte auch die Mikrostruktur und somit wichtige physikalische Materialeigenschaften modifiziert werden. Insbesondere im Bereich

  • Bearbeitbarkeit und Verarbeitbarkeit,
  • Beanspruchbarkeit und Haltbarkeit sowie
  • Zähigkeit und Härte 

 

Eisenmetalle und die jeweiligen Stahlsorten machen mit etwa 80 Prozent den Großteil wärmebehandelter Werkstoffe aus. Das Feld hierbei zum Einsatz kommender Behandlungsmethoden ist groß und es finden sich verschiedene Differenzierungen. Beispielsweise werden Wärmebehandlungen unterschieden in fertigungsorientiert, bei dem die Behandlung während des Produktionsprozesses als Zwischenschritt eingebaut wird, und beanspruchungsorientiert, bei dem das Konstruktionsteil nach dem Fertigungsprozess durch die Wärmebehandlung in seinen Eigenschaften modifiziert wird. Von besonderer Bedeutung spielen bei Wärmebehandlungen sogenannte thermomechanische Verfahren. Nachfolgend werden die vier wohl prominentesten dieser thermomechanischen Prozesse vorgestellt: Das Glühen, das Härten, das Anlassen und zuletzt das sogenannte Vergüten. 

Glühen

Glühen findet sich als Wärmebehandlung insbesondere bei (hoch-)legierten wie unlegierten Eisen und Stählen wieder. Glühen folgt dem Dreischritt Aufwärmen, Halten und Abkühlen. Beim Aufwärmen wird der Werkstoff kontrolliert und bei konstanter Geschwindigkeit auf eine voreingestellte Temperatur aufgeheizt. Die Wahl der Temperatur ist entscheidend für die jeweils erwünschte Modifikation des Werkstoffs. Abhängig der eingestellten Zieltemperatur werden die jeweiligen Glühprozesse voneinander unterschieden: Beim Weichglühen wird der Werkstoff beispielsweise zwischen 700 und 730 Grad Celsius erhitzt. Dadurch kann hart gewordener Stahl wieder leichter verarbeitbar gemacht werden. Dieser fertigungsorientierte Einsatz ist unter anderem bei Kaltumformungen als Zwischenschritt notwendig. Leicht unterhalb dieser Temperatur befindet sich der Bereich des sogenannten Spannungsarmglühens, bei dem im Fertigungsprozess aufgetretene Spannungen –beispielsweise durch Biegen – eines Bauteils wieder ausgeglichen werden können.

Weitere Glüharten:

  • Normalglühen
  • Diffusionsglühen/Lösungsglühen
  • Grobkornglühen
  • Rekristallisationsglühen
 

Nach Erreichen der jeweiligen Zieltemperatur wird der Werkstoff auf dieser gehalten, damit es zu einer Durcherwärmung und folglich zu einer ganzheitlichen Eigenschaftsanpassung kommt. Gefolgt vom Halten ist der Abkühlungsprozess. Bei allen Formen des Glühens ist die Rückführung auf Normaltemperatur kontrolliert und langsam durchzuführen – anderseits können durch ungewollte atomare Gittereffekte die gewünschte Eigenschaftsanpassung nichtig gemacht werden.

Anmerkung: Stellenweise wird bewusst nur eine Eigenschaftsänderung der Außenschicht forciert (Randglühen). In diesem Fall dauert das Temperatur-Halten des Werkstoffs entsprechend kürzer.

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Härten

Härten als Wärmebehandlung findet sich größtenteils bei Bauteilen aus Eisen oder Stählen. Darüber hinaus eignet sich diese Methode aber auch für Nichteisenwerkstoffe wie etwa Titan, Titanlegierungen oder Magnesiumlegierungen. Im Vergleich zum Glühen fällt auf, dass es dieselben Vorgänge Aufwärmen, Halten und Abkühlen aufweist. Innerhalb dieser liegen jedoch zwei große Unterschiede: Der erste besteht in der Zieltemperatur. Diese liegt mit weit über 1000 Grad Celsius deutlich über den Temperaturbereich beim Glühen. Der zweite Unterschied liegt darin, dass nach dem Halten und Durcherwärmen des Werkstoffs dieser nicht langsam, sondern schlagartig abgekühlt wird. Dieser Prozess wird auch Abschrecken genannt.

 

Das Prinzip dieser Wärmebehandlung basiert auf Gefügeumwandlungen respektive einer Veränderung der atomaren Gitterstruktur, die erst durch hohe Temperaturen erzielt werden kann. Durch das Abschrecken verbleiben die Atome in dieser für sich genommenen ungünstigen (metastabilen) Struktur.  Der sich dadurch ergebende Vorteil ist, dass diese Struktur und somit der Werkstoff eine maximale Härte aufweist. Durch  dieses beanspruchungsorientierte Verfahren können bereits robuste Bauteile aus härtbarem Material noch widerstandsfester und belastbarer gemacht werden. 

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Randschichterhärten

Wie eingangs angedeutet, ist das Feld möglicher Methoden der Wärmebehandlung groß. Wohingegen bei den zuvor beschriebenen Methoden der Werkstoff bzw. das Bauteil durchgehärtet wird, bildet eine weitere Kategorie die sogenannte Randschichterhärtung. Es handelt sich hierbei um eine Oberflächenbehandlung. Gängiger Werkstoff für Randschichterhärtungen ist oftmals Stahl. Hierbei werden insbesondere thermochemische Verfahren, also solche, bei denen chemische Reaktionen bei Wärmezufuhr ausgelöst werden, eingesetzt. Dazu zählen:

  • Aufkohlen – Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes bei Stählen
  • Nitrieren
  • Borieren
  • Aluminieren – Einbringen von Aluminium
  • Nitrocarburieren
  • Carbonitrieren
  • Oxidieren
  • Vanadieren
  • Silicieren

 

Es handelt sich hierbei meist um beanspruchungsorientierte Verfahren. Also solche, die abgestimmt sind auf die jeweiligen Anforderungen eines bereits fertig hergestellten Bauteils.

 

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